17. November 2022

Zero Waste Austria Konferenz zur Zukunft des Handels

Weltweit werden mehr als ein Drittel aller Lebensmittel verschwendet. Das Wegwerfen von Lebensmitteln, die zuvor einen langen Weg hinter sich gelegt haben, um in unseren Warenkörben zu landen, belastet somit das Klima und die Umwelt. Am meisten Lebensmittelreste landen in privaten Haushalten im Müll, aber auch innerhalb der Industrie, im Einzelhandel und in Kantinen fallen große Mengen an. Wenn kein Essen mehr verschwendet würde, könnte laut dem WWF eine Fläche so groß wie Oberösterreich (ca. 1 Mio. Hektar) eingespart werden. Gründe für die Lebensmittelverschwendung im Allgemeinen umfassen laut Zero Waste Austria die Gesetzgebung, das Kaufverhalten oder auch während des Transports verdorbene Produkte. Damit einher geht der Verpackungsmist, der tagtäglich in unseren Mistkübeln anfällt.

Wie kann nun die Zukunft des Lebensmittelhandels aussehen? Ist diese unverpackt? Inwieweit können bäuerliche Direktvermarktung, Spendersysteme und Lebensmittelrettung zum Klimaschutz beitragen? Und wie sehen klimaschonende Warenkörbe aus?

Diese Fragen waren zentral bei der ersten Wiener Zero Waste Konferenz am 17. November 2022 in der Ottakringer Brauerei. Mit hochkarätigen Vortragenden aus den Bereichen Konsum, Wissenschaft, Handel und Landwirtschaft wurde gemeinsam nach Antworten gesucht.

Plakat beim Eingang der Zero Waste Konferenz 2022

Fotoquelle: Elisabeth Schabbauer, Klima- und Energiefonds

Großes Einsparpotential bei vergleichbaren Warenkörben

Dabei wurden auch die ersten Zwischenergebnisse des Energy Transition-Projektes „City. Food. Basket.“ vorgestellt. Zur Darstellung, wie sich das Einkaufsverhalten auf die CO2-Emissionen auswirkt, wurden prototypische Warenkörbe (des durchschnittlichen österreichischen Wocheneinkaufs, vegetarisch, vegan, die planetaren Grenzen einhaltend) erstellt, ökologisch und ökonomisch bewertet und miteinander verglichen. Dabei wurden 9 Lebensmittelgruppen von 150 verschiedenen Produkten mit über 400 Produktvariationen betrachtet, einschließlich dem Kaufort (z.B. Hofladen oder Supermarkt), der Anbauart und dem Grad der Verarbeitung bzw. der Verpackung. Bisherige Ergebnisse zeigen, dass im gleichen Warenkorb bis zu 40% CO2 eingespart werden kann, wenn auf Bioprodukte, Einsatz erneuerbarer Energien, wenige Transportwege und möglichst keine Verpackung wertgelegt wird.

René Kollmann präsentiert die Zwischenergebnisse des Projekts City.Food.Basket

René Kollmann vom Projekt City.Food.Basket. bei der Präsentation der Zwischenergebnisse, Fotoquelle: Elisabeth Schabbauer, Klima- und Energiefonds

Ist unverpackt weiblich?

Die Vermeidung von Verpackung kann zwar Ressourcen einsparen, eine gute Hülle schützt aber vor äußeren Schäden und dient der Haltbarkeit, Hygiene und Kennzeichnung der Produkte, besonders wenn diese weiter Transportwege zurücklegen müssen. Saisonalität und Regionalität ist daher für Unverpacktläden unvermeidbar. Unverpacktläden leisten durch das Angebot von Waren ohne Verpackungen einen Beitrag zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs.

Laut Zero Waste Austria kommen 70% der Produkte in Unverpacktläden ohne Verpackungen aus, während jeder Unverpacktladen durchschnittlich 1 Tonne Verpackungsmüll pro Jahr vermeidet. Dennoch sperren immer mehr Unverpacktläden aufgrund von Preiserhöhungen oder zu wenig Marktfähigkeit zu. Auffällig ist, dass die Konsument:innen von Unverpacktläden (sowie übrigens auch die Besucher:innen der Konferenz) vorwiegend weibliche und junge Bevölkerungsgruppen sind, wie eine Umfrage von Zero Waste Austria ergab.

Spendersysteme für unverpackte Lebensmittel

Spendersysteme als Alternative zu Einzelverpackungen, Fotoquelle: Elisabeth Schabbauer, Klima- und Energiefonds

Be a Changemaker!

Die „Be a Changemaker“ Masterclasses wurden von unterschiedlichen Unternehmer:innen bekannter Startups und Unternehmen wie Brüsli, gebana, TooGoodToGo, umdasch, Cedrus Coaching & Beratung bzw. der Ottakringer Brauerei selbst geleitet. Diskutiert wurden Fragestellungen, wie wir die Zukunft des Handels ohne Lebensmittelabfälle gestalten können, was wir Konsument:innen brauchen, um Lebensmittelverschwendung vorzubeugen, wie Mehrweg bei Bierflaschen von 0,33 l funktionieren wird, wie Verpackungseinsparungen in Unverpacktläden sichtbar gemacht werden können, wie Nachfüllstationen im Handel funktionieren können und wie wertebasierte Kund:innenenkommunikation helfen kann, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren.

Beispielhafte Fragestellung der Be a Changemaker Masterclasses

Beispielhafte Fragen der Be a Changemaker! Masterclasses, Fotoquelle: Elisabeth Schabbauer, Klima- und Energiefonds

Wie die Fragestellungen sind auch die diskutierten Ergebnisse vielfältig. Von mehreren Gruppen wurde klar gefordert, dass die Politik Anreize wie eine Mehrwegquote schaffen muss, um den Lebensmittel- und Verpackungsabfall zu reduzieren. Aber auch der Handel muss seine Aufgabe wahrnehmen. Dabei sollten Sparaktionen wie „nimm 3, zahl 2“ oder die Verfügbarkeit aller Produkte bis zum Ladenschluss hinterfragt werden, was jedoch laut Handelsvertreter:innen von den Konsument:innen gerne angenommen bzw. gefordert wird. Obwohl ein großer Teil der Lebensmittelverschwendung in der Produktion sowie im Handel anfällt, haben vor allem Privathaushalte als größte Verschwender von Lebensmitteln einen wesentlichen Hebel. In privaten Haushalten gelten laut WWF vor allem Zeitmangel, falsche Lagerung der Produkte und fehlende Kochideen als Hauptgründe für die Lebensmittelverschwendung. Daher ist die Bewusstseinsförderung und Sensibilisierung wichtig, um Privatpersonen aufzuklären, warum es gilt Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.

Außerdem ist Aufklärungsarbeit darüber notwendig, wie Lebensmittel in der Privatküche richtig gelagert werden oder um Missverständnisse rund um das Mindesthaltbarkeitsdatum aus dem Weg zu räumen (immerhin sind diese laut der Initiative Too Good To Go für 10% der Lebensmittelabfälle in der EU verantwortlich). Dabei kann es helfen, die Geschichte hinter einem Produkt zu erzählen, um den Wert eines Produkts zu steigern. Die aktuellen preislichen Teuerungen könnten hingegen auch zu mehr Wertschätzung der Produkte führen. Apropos Werte: Im Kauf von Lebensmitteln liegt noch viel mehr als das reine Stillen des Hungers. Neben Spaß und Genuss sind auch im Lebensmitteleinkauf Prestige und Image (z.B. beim Kauf von Bioprodukten) sowie Bequemlichkeit wichtige Faktoren.

Visionäre Handelsideen

Während der Podiumsdiskussion wurden Visionen und Lösungsvorschläge von den Expert:innen aufgezeigt. Eine Möglichkeit wäre es, die in Österreich sehr stark konzentrierte Marktmacht zu nutzen, um Fortschritte zu erzielen. Beispielsweise könnten auf diesem Weg Mehrwegsysteme von Konzernen etabliert werden, auch über die ab 2025 verpflichtende Quote hinweg. Durch eine Reduktion des Fleischkonsums könnten Flächen, die für die Futtermittelproduktion benötigt werden, eingespart und zur Produktion von pflanzenbasierten Produkten genutzt werden. Sowohl Konzerne als auch der Einzelhandel könnten ihre Produktpaletten an die empfohlene Planetary Health Diet anpassen in Richtung nachhaltigeren und gesünderen Produkten, indem sie ökologisch und sozial gerechte Produkte im Handel in den Vordergrund stellen. Kleine Produzent:innen und Unverpacktläden könnten Synergien nutzen und wären gemeinsam stärker. Solidarischer Handel wäre eine Möglichkeit, wie Konsument:innen wieder mehr mitbestimmen könnten. Aber es braucht auch eine Änderung in den Werten: ein bewusster Lebensstil anstatt einer Konsumgesellschaft, worin einzelne große Firmen profitieren, wurde in der Podiumsdiskussion gefordert. Dies schützt oft nicht nur das Klima, sondern auch das Geldbörserl.

Ist die Zukunft des Handels nun unverpackt?

Die Teilnehmer:innen der Konferenz sind sich einig: um den Wert von Lebensmitteln zu steigern und somit die Lebensmittelverschwendung zu senken, ist in Bezug auf den Lebensmittelhandel die Zusammenarbeit von allen drei Seiten nötig. Der Staat müsse Regulierungen schaffen, aber die Unternehmen und die Konsument:innen auch ihren Teil dazu beitragen.

 

Elisabeth Schabbauer, 22.11.2022