Im Fokus stand die adaptive Kapazität kritischer Infrastruktursysteme gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels sowie COVID-19. Festgemacht wurde dies an der Betrachtung der zentralen Komponenten Vulnerabilität und Anpassungsfähigkeit. Auf Basis der Erfahrungen und Erwartungen von Expert:innen aus Praxis und Wissenschaft wurden Empfehlungen für die zukünftige inter- und transdisziplinäre Forschung und Forschungspolitik abgeleitet. Die Informationsgewinnung und Wissensgenerierung erfolgte über zwei Onlinebefragungen, einen digitalen Workshop mit Expert:innen aus österreichischen Stadtregionen, qualitative Interviews mit Forscher:innen, sowie einen transdisziplinären Fokusgruppenworkshop.
Resilienz beschreibt im Allgemeinen die Fähigkeit von Systemen mit unerwarteten Störungen in geeigneter Weise umzugehen. Unter städtischer Resilienz ist die Fähigkeit eines Systems und all seiner konstituierenden sozial-ökologischen und sozio-technischen Subsysteme zu verstehen, nach unerwarteten Störungen wichtige Funktionen beizubehalten bzw. sich im Lauf der Zeit und über verschiedene Maßstäbe hinweg an neue Bedingungen anzupassen, oder sich mittel- bis langfristig vollständig zu transformieren. Zentrale Komponenten dieses Resilienzprozesses sind daher die Vulnerabilität und Anpassungsfähigkeit von Systemen.
Strategien und Interventionen zur Stärkung der Resilienz stehen dabei vor einer doppelten Herausforderung. Einerseits herrscht Unsicherheit über die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Störungen und ihre Auswirkungen, was eine Vorbereitung auf derartige Eventualitäten schwierig gestaltet. Andererseits herrschen unterschiedliche Anforderungen in Bezug auf die Resilienz gegenüber kurzfristigen Schocks (z.B. durch Naturkatastrophen) und langfristigen Stressoren (z.B. Klimawandel, Migration).
Die Umfrage zeigt deutlich, wie bewusst Österreichs Städten und Gemeinden die erwartbaren Auswirkungen des Klimawandels sind. Der potentielle Impakt wird in Abhängigkeit von den jeweiligen geographischen Bedingungen und der unterschiedlichen Exposition konzise eingeschätzt. Allen gemein ist die Erwartung von starken Auswirkungen durch Hitzewellen, saisonale Veränderungen in den Niederschlägen und regionale Veränderungen der Frost-Tau-Zyklen. Daraus leitet sich eine klare Einschätzung gefährdeter Infrastruktursysteme ab: Grüne, Wasser- und Gebäudeinfrastruktursysteme werden als am meisten gefährdet angesehen. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Lebensqualität von sozial und wirtschaftlich benachteiligten Gruppen am stärksten beeinträchtigt und die soziale Polarisation daher weiter steigen wird.
Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz gegenüber dem Klimawandel konzentrieren sich bislang auf strategische Aktivitäten und professionelle Managementkonzepte. Partizipative und ko-kreative Prozesse spielen kaum eine Rolle. Städte und Gemeinden sehen aufgrund der Vulnerabilität dringenden Bedarf an neuen Strategien, insbesondere für Energie-, Gebäude- und grüne Infrastruktursysteme, sowie Verbesserungsbedarf in der Governance dieser drei. Als wichtigste Anpassungsprozesse werden die Kooperation von Expert:innen und von Managementsystemen (Notfälle) unter Verwendung von Monitorings erachtet. Neuen Technologien und neuem Wissen wird große Bedeutung beigemessen.
In der COVID-19-Krise entsprach das Leistungsvermögen vorhandener Gesundheitsinfrastrukturen den kurzfristigen Anforderungen besser als soziale Infrastruktursysteme. Zur Steigerung der Anpassungsfähigkeit wurden neben technischer Innovation vor allem Notfallpläne für robuste und lernbasierte Prozesse sowie die Zusammenarbeit zur Stärkung der Redundanz gefordert.
Ganz allgemein wird Smart City Technologien hohe Bedeutung zur besseren Verfügbarkeit von Infrastrukturleistungen beigemessen, insbesondere für die Zusammenarbeit von Städten und Regionen und für Managementpläne in Notfallsituationen.
Forscher:innen schätzen grüne, Wasser- und Energieinfrastrukturen als besonders vulnerabel ein. Infolge der COVID-19-Pandemie erachten sie sowohl die Gesundheits-, als auch die soziale Infrastruktur als sehr vulnerabel. Im Vergleich wird dem Klimawandel aber deutlich mehr Gefahrenpotential in Bezug auf städtische Infrastruktursysteme beigemessen als der Pandemie oder ähnlichen Schockereignissen. Die Anpassungsfähigkeit von Notfall- und Kommunikationsinfrastrukturen wird als sehr gut, jene von Gesundheitsinfrastrukturen hingegen als träge und damit eher schlecht eingeschätzt.
Forschungserfahrungen werden am häufigsten in der angewandten Forschung gewonnen. Dabei stehen eher präventive und weniger adaptive Maßnahmen in den Studien zur Bewältigung der Klimaauswirkungen im Vordergrund. In der Grundlagenforschung fokussieren die Themen im Sinne adaptiver sozialökologischer Resilienz auf das Verstehen von Systemzusammenhängen und die Stärkung des Verständnisses von Ökosystemleistungen.
Trans- und interdisziplinäre Ansätze werden in systemanalytischer Sicht zur Erforschung von Vulnerabilität und Anpassungsfähigkeit sowie entsprechender -kapazität ausdrücklich betont. Die Kluft zwischen Wissenschaft und Praxis wird jedoch als Herausforderung gesehen. Zur Verbesserung der Resilienz von Infrastruktursystemen bedarf es eines besseren Verständnisses bestehender Lücken. Dazu bedarf es neben angewandter Forschung mehr unabhängiger Grundlagenforschung, die unter freieren Projekt- und Forschungsbedingungen langfristig erfolgen kann.
Erhofft werden Forschungsthemen in den Bereichen prozessorientierter Forschung (z.B. bodenschonende Landwirtschaft), systemanalytischer Forschung (z.B. Flexibilität und Redundanzen von Systemen) und sozialwissenschaftlicher Forschung (z.B. Polarisierungen bedingt durch Vulnerabilitäten). Angewandte Forschung soll außerdem durch inter- und transdisziplinäre Forschungsansätze Kommunalverwaltungen, Praktiker:innen und Entscheidungsträger:innen auf verschiedenen Ebenen sowie Schlüsselorganisationen einbeziehen. Zentrale Charakteristika einer solchen zukünftigen Forschung sind Inklusion, überregionale Ansätze, sowie Kommunikation, Austausch und wechselseitiges Lernen. Auch die fehlende Beteiligung von Bürger:innen wird als eine Ursache für die fehlende Verbindung von Wissenschaft und Praxis gesehen.
Im Zuge eines Workshops mit Expert:innen aus Städten und Gemeinden in österreichischen Stadtregionen konnte eine Reihe von Defiziten zur Stärkung resilienter Entwicklung festgestellt werden. Diese sind als Anforderungen an zukünftige Forschung formuliert:
Aus den qualitativen Interviews mit Expert:innen aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen lassen sich folgende Erkenntnisse zur Forschung zusammenfassen:
Empfehlungen zur Stärkung der resilienten stadtregionalen Entwicklung
Auf Basis eines Fokus-Workshops zum Thema „Ansätze für bessere Kooperation zwischen Infrastrukturverantwortlichen und Wissenschaft für mehr Resilienz“ konnten 8 Schätze in Sinne allgemeiner Anforderungen für die Forschung erarbeitet werden:
Autor:innen:
TU Wien / SRF: Rudolf Giffinger, Antonija Bogadi, Johannes Suitner, Alexander Authried
PlanSinn.at: Wolfgang Gerlich, Johannes Brossmann
Dieses Projekt wurde aus Mitteln des Klima- und Energiefonds im Rahmen des Förderschwerpunktes Energy Transition 2050 gefördert und mit Unterstützung durch den Österreichischen Städtebund von Februar bis Juli 2021 durchgeführt.