7. September 2022

Aus dem Alltag einer Energieberaterin

Eva Lems arbeitet im Bereich Bauen/Wohnen/Energie bei DIE UMWELTBERATUNG. Ihre Schwerpunkte sind ökologisches Bauen, Abhaltung von Seminaren und Schulungen, Projektentwicklung und Energieberatungen. Sie berät Haushalte, die von Energiearmut betroffen sind. Kein Fall gleicht dem anderen und doch haben sie eines gemeinsam: Sie können sich ihre Energierechnung kaum leisten.

Am Anfang der Energieberatung vor Ort werden die wichtigsten Parameter besprochen: Größe der Wohnung, Adresse, Jahresabrechnung, Anzahl der Personen usw. Die meisten Menschen, die ihre Energierechnung nicht bezahlen können, sind Menschen in Mietwohnungen und prekären Lebenssituationen. Sie versuchen zu sparen, wo es geht und wissen oft nicht genau, was ihnen zusteht und welche Förderungen sie bekommen können. Eva Lems findet, es sollte ein Recht auf Wärme für alle Menschen geben.

Mehr als sparen geht nicht

In der Wohnung macht sich die Energieberaterin auf die Suche nach den großen Energiefressern. Sie schaut sich Heizsysteme und Fenster an, geht alle Elektrogeräte durch und bespricht mit den Bewohner*innen, wie sie diese am effizientesten nützen können. Zusätzlich werden die Energierechnungen genau angeschaut. So kann man schon mit so einigen Energiespar-Mythen aufräumen, wie händisches Geschirrspülen spart Geld oder ein gekipptes Fenster im Winter ist besser als Stoßlüften. Einige der Betroffenen gehen aber schon so sparsam mit Energie um, dass sich nicht mehr sparen lässt.  

Die Energiearmut nimmt zu

Die meisten Energieberatungen dauern an die 2 Stunden. Eine Zeit, in der die Menschen oft ein Vertrauensverhältnis zur Beraterin aufbauen und Persönliches aus ihrem Leben erzählen. Jemand Fremden in die Wohnung zu lassen und Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist für viele unangenehm und kostet Überwindung. Oft hört die Energieberaterin tragische Lebensgeschichten. Es sind gemischte Gefühle mit denen Eva Lems die Wohnungen verlässt. Auf der einen Seite sind die Menschen unglaublich dankbar, dass sich jemand die Zeit nimmt und helfen möchte. Auf der anderen Seite weiß die Expertin, dass ein sparsames Verhalten nicht in allen Fällen reicht. Bei den steigenden Preisen werden sich viele das Heizen nicht mehr leisten können. Energiearmut betrifft nun einen größeren Teil der Gesellschaft und die Angst davor ist allgegenwärtig. Seit dem Ukraine-Krieg ist das Thema in allen Medien und auch bei den Energieberatungen laufen die Telefone heiß.

Langfristige Lösungen sind gefragt

Einmalzahlungen dienen nicht der dauerhaften Bewältigung der Situation. Ein Lösungsansatz wäre es, allen Menschen ein Mindestmaß an Energie zu Verfügung zu stellen. Eine andere Lösung wäre die Anpassung von Sozialleistungen an die Energiepreisentwicklung. Auch Sozialtarife von Energieversorgungsunternehmen sind eine denkbare Variante.

Sanierung vor Umstieg auf erneuerbare Energien

Ein wichtiger Schritt aus der Energiearmut und in Richtung Klimaschutz ist die Dekarbonisierung mit vorhergehender thermischer Sanierung. Dekarbonisierung bedeutet Energieversorgung ohne fossile Energieträger, also zum Beispiel mit erneuerbaren Energien wie Erdwärme und Biomasse. Damit die Energiewende gelingen kann, braucht es vor der Umstellung auf ein neues Heizsystem eine thermische Sanierung. Nur so kann Energie gespart werden. Das bringt sinkende Energiekosten für die Nutzer*innen und ist gut für die Umwelt.

„Durch Sanierung und Umstieg auf erneuerbare Energien tun wir alle gemeinsam was fürs Klima und stellen sicher, dass Wärme für alle Menschen leistbar bleibt.“ – Eva Lems, DIE UMWELTBERATUNG

Wichtig ist dabei, dass diese Sanierungen nicht nur auf die Mieter*innen abgewälzt werden. Die Dekarbonisierung kann nicht durch jene Menschen finanziert werden, die sich das Leben ohnehin schon kaum leisten können.

Das Recht auf Wärme

Eine weitere wichtige Maßnahme wäre, das Abschalten der Energieversorgung zu verbieten und die Zahlungsunfähigkeit sozial abzufedern. Denn wer mehrmals in der Woche Energieberatungen in armutsgefährdeten Haushalten durchführt, sieht ganz klar: Das Recht auf Wärme ist ein Grundrecht.

Praktische Tipps gibt es hier

Herausgeber:innen

  • IBR&I Institute of Building Research & Innovation
  • DIE UMWELTBERATUNG Die Wiener Volkshochschulen
  • IIBW – Institut für Immobilien Bauen und Wohnen GmbH